Es gibt einige Mythen über das Trauern. Insbesondere Ideen über ein "richtiges Trauern" können irreführend sein und Betroffene sowie Angehörige zusätzlich belasten. Zu den Mythen gehören:
Sigmund Freud postulierte 1917 in seinem Werk Trauer und Melancholie, dass das Auflösen der emotionalen Bindung zur Trauerbewältigung gehöre. Weitere psychoanalytisch begründete Phasenmodelle über den Trauerprozess wurden veröffentlicht. Für diese Modelle gibt es keine empirisch gesicherten Erkenntnisse.
Einige Aspekte, die man über Trauer wissen sollte:
Trauer wirkt sich auf die sozialen Beziehungen von Menschen aus.
Familienangehörige und Freunde können Trauernde in ihrem sehr individuellen Verhalten und Erleben nicht immer verstehen. Trauernde wiederum können dieses Unverständnis spüren. Gleichzeitig ist es für nahestehende Personen oft schwer erträglich, das Leiden und den Schmerz von Menschen in Trauer mitzuerleben. Sie können das Bedürfnis erleben, die trauernde Person zu trösten. Dabei sollten Familienangehörige und Freunde wissen: Der Verlust von Menschen ist nicht zu verändern ist; der Zustand, in dem Trauernde sind, ist ebenfalls nicht schnell zu verändern.
Trauernde haben die Neigung, sich von anderen Menschen zurückzuziehen. Dies gehört zur normalen Trauerreaktion. Falls der Rückzug aber so umfassend und dauerhaft ist, dass Freundschaften und soziale Beziehungen abbrechen, ist dies für die psychische Gesundheit nicht hilfreich.
Trauer ist im Allgemeinen keine psychische Störung / psychische Erkrankung, sondern eine normale Reaktion. Das gilt auch, wenn Trauer für Betroffene sehr belastend ist. Die Leiden und die Beeinträchtigungen von trauernden Menschen ähneln in vieler Weise den Symptomen einer Depression. Trotzdem ist eine Trauerreaktion nicht dasselbe wie eine Depression.
Es gibt Hinweise, dass Psychotherapie bei normaler Trauer schaden kann.
Eine psychische Störung / Erkrankung liegt nur vor, wenn bestimmte psychische / körperliche Symptome auftreten und Menschen dadurch beeinträchtigt sind in ihrer Lebensführung. Trauer entwickelt sich nur in Ausnahmefällen zu einer anhaltenden Trauerstörung.
<<Untersuchungen konnten belegen, dass die anhaltende komplexe Trauerreaktion aus einem eigenen spezifischen Symptomcluster besteht. Sie ist daher von einer Reihe anderer psychischer Erkrankungen abzugrenzen, auch wenn sich Symptome häufig überschneiden oder die Erkrankungen assoziiert miteinander auftreten können>> berichten Steinig & Kersting (2015).
In der Literatur wurde bislang häufig der Begriff "komplizierte Trauer" benutzt, wenn es um Phänomene ging, welche eine normale Trauerreaktion übersteigen. Ein weiterer Begriff ist die „anhaltende komplexe Trauerreaktion" (persistent complex bereavement disorder), die sich im Klassifikationssystem DSM 5 findet - jedoch im Bereich von Gesundheitsfaktoren, welche einer weiteren Überprüfung durch die Forschung bedürfen. Ein diagnostisches Instrument hierzu ist das Inventory of Complicated Grief (ICG).
Im Klassifikationssystem ICD-10 gibt es keine psychische Störung in Bezug auf Trauer. Es kann aber sein, dass bei Betroffenen die Kriterien einer Anpassungsstörung oder von anderen psychischen Störungen vorliegen.
Znoj, H. (2021): Ratgeber Trauer. Informationen für Betroffene und Angehörige
Rosner, R. et al. (2015): Anhaltende Trauerstörung