Auf den ersten Blick scheint die Behandlung psychischer Erkrankungen wenig mit juristischen Themen in Verbindung zu stehen. In Wirklichkeit ist jede Behandlung geprägt von rechtlichen Vorgaben. Es kann für Patient*innen sehr hilfreich sein, einen Einblick zu haben in diese rechtlichen Grundlagen, nicht nur über die Patient*innenrechte.
Hier sind ein paar gesetzliche Regelungen dargestellt. Sie finden sich im Sozialgesetzbuch (SGB), Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), der Psychotherapierichtlinie, der Psychotherapievereinbarung und in der Berufsordnung.
Im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sind fast alle Bestimmungen zur gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland zusammengefasst und dadurch auch viele Regelungen zur Psychotherapie. Ein Beispiel: Im Gegensatz zu Ärzt*innen dürfen Psychotherapeut*innen keine Bescheinigung über Arbeitsunfähigkeit ("Krankschreibung") ausstellen; das ist geregelt in §73 Abs. 2 SGB V.
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) ist die zentrale Quelle für die Rechtsbeziehungen zwischen Privatpersonen. Im BGB finden sich grundlegende Regelungen, die alle Behandlungen von Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen, Ergotheapeut*innen, Logopäd*innen etc. betreffen. Siehe hierzu die Seite Patientenrechte
Die Psychotherapie-Richtlinie enthält Vorgaben, in welchen Fällen eine Psychotherapie im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden darf:
Die Psychotherapie-Vereinbarung regelt weitere Details wie z.B.:
Die Muster-Berufsordnung der Bundespsychotherapeutenkammer bzw. die Berufsordnung der Ostdeutschen Psychotherapeutenkammer regeln die Berufsausübung. Inhalte sind unter anderem:
Bei der Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen kann einen Spannungsfeld entstehen zwischen dem Selbstbestimmungsrecht von Minderjährigen, dem Recht der Eltern und den Verpflichtungen von Psychotherapeut*innen. Als Beispiel sei eine 16jährige Patientin genannt, die eine Behandlung wünscht, aber die Eltern die Behandlung ablehnen. Bei den meisten meiner Patient*innen sind die leiblichen Eltern getrennt oder geschieden; in diesem kann sich ein Spannungsfeld ergeben, wenn ein Elternteil eine psychotherapeutische Behandlung ihre Kindes wünscht, der andere Elternteil eine Behandlung aber ablehnt.
"Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht"
"Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit"
"Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln"
Eine Psychotherapie bedarf der Einwilligung. Kriterien zur Beurteilung von Einwilligungsfähigkeit sind nach Grisso & Appelbaum (1998):
Ab welchem Alter kann ein Minderjähriger selbst in eine Behandlung einwilligen? Dazu gibt es im Gesetz keine konkrete Altersangabe, aber ein Urteil des Bundesgerichtshof: Die Einwilligung eines Minderjährigen ist rechtswirksam, wenn der Minderjähriger nach seiner geistigen und sittlichen Reife die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und seiner Gestattung zu ermessen vermag. Ein Minderjähriger muss also über eine behandlungsbezogene Einsichtsfähigkeit verfügen.
Ein Arzt / Psychotherapeut muss im Einzelfall prüfen, ob ein*e Minderjährige*r einwilligungsfähig ist oder nicht. Die Einwilligungsfähigkeit kann durch einen medizinischen Zustand beeinträchtigt sein (z.B. Intelligenzminderung oder Anorexia Nervosa).
Im Regelfall sind Minderjährige ab 14 Jahren einwilligungsfähig.
Grundsätzlich* gilt: Wird ein einwilligungsfähiger Minderjähriger behandelt, unterliegt der Psychotherapeut der Schweigepflicht auch gegenüber den Eltern - er darf Informationen nur dann an die Eltern weitergeben, wenn der Minderjährige zustimmt.
Im Regelfall sind Minderjährige unter 14 Jahren nicht einwilligungsfähig.
Dann ist für die Behandlung die Einwilligung der Sorgeberechtigten einzuholen: "Ist der Patient einwilligungsunfähig, ist die Einwilligung eines hierzu Berechtigten einzuholen" (§630d BGB).
Können sich die Sorgeberechtigten nicht einigen, ist die Durchführung einer Behandlung noch nicht einsichtsfähiger Patienten von einer gerichtlichen Entscheidung abhängig.
Können sich die Sorgeberechtigten einerseits und der nicht einwilligungsfähige minderjährige Patient andererseits nicht über eine Behandlung einigen, ist der Psychotherapeut verpflichtet, insbesondere auf das Patientenwohl zu achten.
Die dargestellte Einwilligungsfähigkeit ist von der Geschäftsfähigkeit zu unterscheiden. Bezüglich der Geschäftsfähigkeit gibt es sehr wohl gesetzliche Altersangaben.
Menschen in Deutschland haben das Recht, grundsätzlich selbst über ihre personenbezogenen Daten zu bestimmen (Recht auf informationelle Selbstbestimmung). Grundsätzlich sind Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen zur Verschwiegenheit verpflichtet durch §203 StGB: Ärzt*innen oder Psychotherapeut*innen, die unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbaren, werden mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
"Unbefugt" dürfen keine Informationen weitergeleitet werden - in manchem Fällen dürfen, in anderen Fällen müssen Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen aber Informationen weiterleiten. Zu diesen Fällen gehören:
Es ist davon auszugehen, dass über 90% aller Suizide im Zusammenhang mit einer psychischen Erkrankung stehen. Psychotherapeut*innen haben die Pflicht, das Leben von Patient*innen zu schützen und Schaden von ihnen abzuwenden:
Psychotherapeut*innen können Angehörige von Patient*innen sowie Behörden bei einem rechtfertigenden Notstand (§34 StGB) benachrichtigen.
Es kann bei akuter Suizidalität die Pflicht von Psychotherapeut*innen sein, eine Behandlung in einem Krankenhaus zu veranlassen. Rechtliche Bestimmungen hierzu finden sich im Brandenburgischen Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke.
Wenn die Eltern eines Kindes oder Jugendlichen unter 18 Jahren eine Krankenhausbehandlung wünschen, regelt §1631b BGB: Eine Krankenhausbehandlung kann erfolgen zum Wohl des Kindes bei erheblicher Selbstgefährdung, wenn andere Maßnahmen nicht möglich sind. Die Sorgeberechtigten müssen hierzu einen Antrag stellen und eine Stellungnahme eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie ist erforderlich.
Die Versorgungsmedizin-Verordnung nennt im Bereich "Nervensystem und Psyche" verschiedene psychische Störungen wie Autismus, ADHS, Sozialverhaltensstörungen, Intelligenzminderung und den dabei möglichen Grad der Behinderung. Falls eine Schwerbehinderung vorliegt, kann ein Antrag auf Feststellung der Behinderung beim Versorgungsamt oder online gestellt werden.