Psychisch kranke Eltern

Psychische Erkrankungen gehören zu den häufigsten Erkrankungen überhaupt. Etwa 25 bis 30% aller Menschen sind im Laufe eines Jahres behandlungsbedürftig psychisch krank (Jacobi et al. 2014: Psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung). Die Wahrscheinlichkeit, irgendwann im Verlauf des Lebens einmal eine psychische Erkrankung zu haben, ist noch höher: Sie liegt bei etwa 45%. Die häufigsten Störungen sind Angststörungen, Depressionen und Störungen durch Substanzgebrauch (z.B. Alkohol).

 

"Psychische Störungen bei Eltern von Kindern sind sehr häufig" (Mattejat 2019: Psychisch kranke Eltern. In: Empirische Grundlagen der familienrechtlichen Begutachtung). Kinder psychisch kranker Eltern haben ein viel höheres Risiko, selbst auch eine psychische Erkrankung zu entwickeln.

 

Betrachtet man eine der häufigsten psychischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter, ADHS, so zeigt sich: Bis zu 43 % der Kinder eines Elternteils mit ADHS haben selbst auch ADHS (Minde et  al., 2003: The psychosocial functioning of children and spouses of adults with ADHD).

 

Es gibt mehrere Faktoren, die dazu beitragen können im Sinne des bio-psycho-sozialen Modells: Psychische Erkrankungen entstehen durch ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Das ist zum Beispiel die genetische Mit-Verursachung, die bei vielen psychischen Störungen eine Rolle spielt. Aber auch ungünstige Verhaltensweisen von Eltern mit einer psychischen Störung können sich nachteilig auf ein Kind und Jugendlichen auswirken. Der Zusammenhang ist aber noch komplexer: Denn andersherum kann auch die psychische Erkrankung eines Kindes und die damit einhergehende Belastung die Wahrscheinlichkeit für Eltern erhöhen, eine psychisch Erkrankung zu entwickeln.


Schlussfolgerung für die Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen

  1. "Die psychische Erkrankung eines Elternteils ist die wichtigste oder zumindest eine der wichtigsten Risikovariablen für die psychische Entwicklung der Kinder" (Mattejat 2019: Psychisch kranke Eltern. In: Empirische Grundlagen der familienrechtlichen Begutachtung).

  2. Nur sehr wenige Menschen mit psychischer Erkrankung werden in Deutschland psychotherapeutisch behandelt: Nur 11% derjenigen, die innerhalb der letzten 12 Monate an einer psychischen Erkrankung litten, geben an, deswegen einen Behandlungstermin gehabt zu haben.

Für eine erfolgreiche Therapie eines Kindes / Jugendlichen wird es oftmals entscheidend sein, dass die Eltern eine wirksame, leitliniengerechte Behandlung beginnen in Bezug auf ihrer psychische Erkrankung.


Ratgeber für Eltern

Bücher für Kinder

Ein Bilder- und Erzählbuch für Kinder, in der die 9jährige Mona sich fragt, was mit ihrer Mutter los ist: Annikas andere Welt (S. Eder, P. Rebhandl-Schartner, E. Gasser)

 

Die Geschichte von Nele, deren Vater eine Depression hat: Papas Seele hat Schnupfen (C. Gliemann, N. Faichney)

 

Ein illustriertes Buch für Kinder ab dem Grundschulalter mit psychisch kranken Eltern: Sonnige Traurigtage (S. Homeier)

Links

Netz und Boden - Initiative für Kinder psychisch kranker Eltern

 

Auf Englisch: COPMI - Children of Parents with a Mental Illness

Fachliteratur

Kinder psychisch kranker Eltern. Leitfaden Kinder- und Jugendpsychotherapie (A. Lenz, S. Wiegand-Grefe)

 

Nicht von schlechten Eltern: Kinder psychisch Kranker (F. Mattejat, B. Lisofsky)

 

Kinder psychisch kranker Eltern: Entwicklungsrisiken erkennen und behandeln (A. Plass, S. Wiegand-Grefe)