Berufsbedingter Burnout

In vielen Medien wird Burnout als ein Spiegelbild ungünstiger Entwicklungen in der Gesellschaft und in der Arbeitswelt gesehen. Wissenschaftlich betrachtet, ist Burnout kein genau definiertes Konzept. Es gibt außerdem nur wenige hochwertige Forschungserkenntnisse hierzu. Viel besser definiert und erforscht ist das Thema "beruflicher Stress" und dessen Auswirkungen auf die Gesundheit.


Ist "Burnout" eine Diagnose?

Burnout ist ein "Faktor, der den Gesundheitszustand beeinflusst und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führt" im Klassifikationssystem ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Als Ursache eines Burnouts sehen Betroffene einen zentralen Lebensbereich: Die Arbeit. Es gibt keine eindeutig definierten Symptome eines Burnouts. Eine Vielzahl an Symptomen wird von Betroffenen berichtet: Häufig genannt werden Erschöpfung, Energiemangel, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, innere Unruhe etc. Der Begriff "Burnout" beschreibt daher nicht bestimmte Symptome, sondern das subjektive Erleben des Ausgebranntseins. 

 

Diagnostiziert werden kann deswegen keine Diagnose im eigentlichen Sinn, sondern der oben genannte Faktor im Bereich Z73 der ICD-10: Probleme verbunden mit Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung - Burn-out.


Therapie im Rahmen der Krankenversicherung

Wie beschrieben, ist ein Burnout keine Diagnose im Sinne des medizinischen Klassifikationssystems. Eine der Voraussetzungen dafür, dass Krankenkassen die Kosten für eine Psychotherapie übernehmen, ist das Vorhandensein einer (zusätzlichen) psychischen Erkrankung wie z.B. einer Depression.


<<Das größte in der Welt ist, sich selbst gehören zu können>>


Diagnostik

Zur Einschätzung der Situation Betroffener, können Fragebögen wie das Maslach Burnout Inventar (MBI) hilfreich sein oder der Fragebogen Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM).

 

Wie bei jeder Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) wird eine Anamnese erhoben. Bei einem Verdacht auf Burnout wird dabei der Blick besonders auf die Berufs- und Stressanamnese gerichtet. Bei der Stressanamnese wird beachtet, welche Faktoren zu chronischer Anspannung beitragen. Verhaltenstherapeut*innen werden zum Beispiel diese Fragen besprechen: Erleben Patient*innen ihre Tätigkeit als kontrollierbar und beeinflussbar? Passt die Arbeit zur Person von Patient*innen? Welche Anerkennung gibt es für die Arbeit? Wie ist das Verhalten von Patient*innen in Stresssituationen? Welche Stressgedanken treten auf?

 

Für die Therapieplanung sind insbesondere zwei Bereiche wichtig:

  • Welche Stress auslösenden, ungünstigen Arbeitsbedingungen gibt es? Solche externen Stressoren können z.B. schwierige Gespräche mit Kunden und Vorgesetzen sein.
  • Wie ist die individuelle Stressbewältigung von Patient*innen? Dabei werden betrachtet: Die Gedanken, die Gefühle, der Körperzustand und das Handeln.

Ein Element, das standardmäßig in jeder KVT durchgeführt wird, ist die Verhaltensanalyse.


Burnout: Grundlagen einer Psychotherapie

Bezüglich der meisten psychischen Erkrankungen (z.B. Depression) gibt es empirische Erkenntnisse aus der Forschung über deren Entstehung, Aufrechterhaltung und Veränderbarkeit. Darauf bauen störungsspezifische Behandlungsansätze der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) auf. Informationen dazu finden sich in Behandlungsleitlinien (z.B. Leitlinie Depression).

 

Wenn eine psychische Erkrankung vorliegt, dann sollte die Psychotherapie aus einem solchen störungsspezifischen Behandlungsansatz bestehen. Bei einem zugleich bestehenden Burnout sollte die Psychotherapie um berufsbezogene Behandlungselemente ergänzt werden. Die Bearbeitung beruflicher Probleme kann durch bewährte Ansätze der KVT erfolgen.


Erklärungs- und Veränderungsmodell

In jeder KVT geht es um die Erarbeitung eines Erklärungsmodells gemeinsam mit den Patient*innen. Es geht hier um die Frage, welche Faktoren zur beruflichen Überlastung geführt haben. Dabei ist eine Vielzahl an Faktoren denkbar (biopsychosoziales Modell).

 

Wenn dieses Modell erstellt wurde, geht es um die Besprechung des Veränderungsmodells. Damit ist die Frage danach gemeint, welches die notwendigen Schritte sind zur Reduktion des chronischen Stresses. Wenn Betroffene eine Psychotherapie beginnen möchten, gilt es zu unterscheiden, welche Probleme durch eine Psychotherapie veränderbar sind und welche nicht. Innerhalb einer Verhaltenstherapie wird es schwierig, gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu verändern, z.B. die zunehmende Beschleunigung, die Verdichtung von Arbeitsprozessen oder die Entgrenzung von Arbeitszeit. Eine höhere Beeinflussbarkeit gibt es auf der Ebene des individuellen Bewältigungsverhaltens.


Ansatzpunkte

Es kann für eine Psychotherapie bei chronischem Stress hilfreich sein, an diesen vier Problemfaktoren mit anzusetzen:

 

(1) Nichtwahrnehmung der eigenen Überlastung. Lösungsansatz:

  • Achtsamkeit
  • Kennen der eigenen typischen Stressreaktionen durch die Verhaltensanalyse.

(2) Stressauslösende Gedanken über den Beruf; Grübeln über berufliche Themen. Hierzu gibt es Lösungsansätze zur Stressbewältigung:

  • Erkennen der nachteiligen Gedanken (dysfunkionalen Kognitionen), das kann zum Beispiel der Gedanke sein: "Es ist wichtig, dass ich immer mein Bestes gebe!". Anschließend werden alternative Gedanken erprobt.
  • Bezüglich des Grübelns wird der Ausstieg aus dem Grübelkreislauf erarbeitet.

 

(3) Fehlende Bewältigungsmöglichkeiten für den Umgang mit Belastungen. Hier können verschiedene Lösungsansätze der Stressbewältigung indiziert sein: 

  • Training sozialer Fertigkeiten;
  • Klärung innerer Konflikte (sich widersprechende Gedanken und Motive);
  • Selbstwertförderung; gegebenenfalls ein Abbau von beruflichem Überengagement.

 

(4) Unfähigkeit, sich zu erholen. Lösungsansätze:

  • Erörtert wird das bisherige Erholungsverhalten und neue Erholungsverhaltensweisen inklusive Einwände dagegen (z.B. "Es ist noch so viel zu erledigen...").
  • Vermittlung von Wissen darüber, wann Erholung gelingt und wann Erholung nicht gelingt.

Fachliteratur

Burnout und chronischer beruflicher Stress. Stefan Koch, Dirk Lehr, Andreas Hillert, 2015.


Links zur relevanten Modellen

Transtheoretisches Modell der Verhaltensänderung: wikipedia.org/wiki/Transtheoretisches_Modell

Yerkes-Dodson-Gesetz: wikipedia.org/wiki/Yerkes-Dodson-Gesetz

Gratifikationskrise: wikipedia.org/wiki/Gratifikationskrise

Stressimpfungstraining: wikipedia.org/wiki/Stressimpfungstraining

Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion: wikipedia.org/wiki/Achtsamkeitsbasierte_Stressreduktion


Soziologische Perspektive